Historie
Die Stadt Herrieden an der Altmühl (ca. 70 km südwestlich von Nürnberg gelegen) kann auf eine fast 1.250-jährige Geschichte zurückblicken. Klicken Sie sich hier durch die zwölf Jahrhunderte prägender Geschichte.
I. Kelten 500 v. Chr./Römer 100 n. Chr.: erste Spuren
Die ersten nachgewiesenen Spuren menschlicher Besiedlung im Raum Herrieden finden sich aus keltischer Zeit um 500 v. Chr. In der Antike reicht das römische Reich, mit dem Limes und dem Kastell Ruffenhofen, ganz nahe an das spätere Herrieden heran, schließt es aber nicht ein.
II. 782: König Karl Klostergründung 'Hasareoda'
In Herrieden, an der sich verzweigenden Altmühl, siedeln die Menschen schon früh, angezogen von der überaus günstigen Verkehrslage: Der Fluss selbst wird als Verkehrsweg genutzt. Von Fulda führt eine wichtige Handelsstraße nach Donauwörth, den Flussübergang erleichtert eine Brücke schon in der Karolinger-Zeit. An diesem wichtigen Verkehrspunkt gründet (der spätere) Kaiser Karl der Große ein Kloster, in das er 782 Deocar, Mitglied seiner Hofkanzlei, als ersten Abt entsendet: Das Reichskloster sollte fränkischen Einfluss durchsetzen und Träger fränkischer Reichskultur werden. Deshalb wird es auch reichlich ausgestattet: So gehört u. a. Melk in Niederösterreich zu seinem Besitz (seit 1982 besteht eine Städtepartnerschaft zwischen Herrieden und Melk). Eine Burg gibt es wohl seit den Tagen der Benediktinerabtei.
Ob Karl der Große jemals 'Herrieden' besuchte, ist nicht ausdrücklich schriftlich belegt. Zwei 'Besuche' König Karls sind jedoch sehr wahrscheinlich. So gab es im Südosten seines Reiches um 793 historisch belegte kriegerische Auseinandersetzungen mit den Awaren. Es spricht viel dafür, dass er in diesem Zusammenhang in seinem 'Reichskloster' Station gemacht hat.
2012 - 2015 fanden archäologische Ausgrabungen zur 'Fossa Carolina' (Karlsgraben) statt (die Ergebnisse wurden u. a. auch in Ansbach präsentiert). Die dendrochronologische Untersuchung der ausgegrabenen Eichenstämme ergab, dass sie in den Jahren 792 und 793 gefällt wurden. Der Herbst 793 wird in den Reichsannalen als Bauzeit des Kanals angegeben - König Karl war an der Baustelle zugegen.
Es liegt nahe, dass er in diesem Zusammenhang dem vormaligen Mitglied seiner Hofkanzlei, Reichsabt Deocar, im nicht weit entfernten 'Hasareoda', einen Besuch abstattete.
Wie sich die Menschen in Herrieden Mitte des 18. Jahrhunderts diesen 'Besuch Kaiser Karls des Großen bei Deocar' vorgestellt haben, zeigt ein Deckenfresko im Langhaus der Stiftsbasilika Herrieden.
III. 888: Umwandlung in ein Chorherrenstift
Im Jahr 888 übereignet Kaiser Arnulf von Kärnten die Reichsabtei Herrieden dem Fürstbischof Erchanbald von Eichstätt, der sie in ein Chorherrenstift umwandelt. An die Stelle des Abtes tritt ein Probst, der den Vorsitz über die Chorherren, die Güterverwaltung, aber auch die Grund- und Leibherrschaft über die Untertanen wahrnimmt.
IV. 1238: Herrieden wird 'Stadt'
In der Eichstätter Chorherrenzeit (888 - 1804) bleibt Herrieden, seit 1238 'Stadt' (in einer Urkunde wird von Herrieder "cives"/Bürgern gesprochen), für ein ausgedehntes Umland nicht nur grundherrschaftlich-niedergerichtlicher Zentralort und seelsorgerisch-geistlicher Mittelpunkt, sondern kultureller Ausstrahlungsort. Der ausgezeichnete Ruf der Stiftsschule veranlasst z. B. mehrere Augsburger Patrizierfamilien, ihre Söhne als Schüler/Studenten nach Herrieden zu schicken. Auch Jakob Fugger 'der Reiche' hatte im Herrieder Stift eine Pfründe erhalten; Herrieden wird als das 'gelehrteste Stift' gesehen.
V. 1316: König Ludwig der Bayer (Schweiz Urkunden/Nürnberg Deocar-Reliquien)
Am 26. und 29. März 1316 werden von König Ludwig dem Bayern im Feldlager vor der belagerten Stadt Herrieden ("in obsidione oppidi Herriden") vier Königsurkunden für die Urkantone (Schwyz, Uri, Unterwalden) der späteren Schweiz ausgestellt.
Stadt und Chorherrenstift Herrieden wurden mit Hilfe von Innerschweizer Söldnern erobert. Als Dank für die Unterstützung übergab König Ludwig die für die Schweizer Geschichte, hin zur eidgenössischen Staatlichkeit, so wichtigen Urkunden.
Nach seinem Tod wird Deocar bald als Heiliger verehrt, seine Reliquien sind begehrt. Als Herrieden 1316 vom (späteren) Kaiser Ludwig dem Bayern zerstört wird, verbringt dieser einen Großteil der Gebeine Deocars als Siegesbeute nach Nürnberg in die Lorenzkirche. Denn auch die Reichsstadt Nürnberg wurde für ihre Waffenhilfe bei der Eroberung der Stadt Herrieden belohnt.
VI. 1358: Kaiser Karl IV. stiftet das 'St. Veit-Reliquiar'
Im August 1358 findet ein Hoftag Kaiser Karls IV. in Rothenburg ob der Tauber statt. Mit kaiserlichem Begleitschreiben vom 30. September 1358 schenkt er dem Chorherrenstift Herrieden das St. Veit-Reliquiar. Ob er das Stift besuchte, wird nicht festgehalten. Er muss aber wichtige Gründe gehabt haben, dass er 'Herrieden' mit einem solch wertvollen Geschenk bedenkt.
Er ist direkter Nachfolger Kaiser Ludwigs des Bayern. Vieles spricht dafür, dass Kaiser Karl IV. das Chorherrenstift Herrieden für diesen 'Reliquienraub' seines Vorgängers entschädigt hat.
Heute ist das kunsthistorisch bedeutsame St. Veits-Reliquiar international sehr begehrt (u. a. Ausstellungen 2006 in Berlin und Prag, 2005 in New York).
VII. 1437: Nürnberg Deocar-Silberschrein/Reichsheiltumsschrein
Kaiser Karl IV. will Nürnberg zu der Stadt machen, in der auf Dauer der Kronschatz/die Reichskleinodien, d. h. die Reichsinsignien (z. B. Reichskrone, Reichsapfel) und Reichsreliquien (u. a. Heilige Lanze und Kreuzpartikel) verwahrt werden sollen.
Dieser Reichsheiltumsschrein steht heute beeindruckend im Zentrum des Auftaktsaales Mittelalter im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg und wird dort so beschrieben:
"Der Reichsschatz aus Insignien und heilsbringenden Reliquien wurde vom jeweiligen Kaiser als Unterpfand rechtmäßiger Herrschaft verwahrt. Kaiser Sigismund übergab diese Reichskleinodien 1424 der Reichsstadt Nürnberg zur treuhänderischen Verwahrung. Die Insignien wurden in gesicherten Räumen der Heilig-Geist-Kirche untergebracht.
Die Reliquien, das Heiltum, erhielten diesen Schrein, der im Chor der Kirche aufgehängt war. [...] Als Behältnis christlicher Glaubenszeugnisse, die der Kaiser der reichsunmittelbaren Stadt übergeben hatte, verkörpert der Heiltumsschrein wie kein anderes Denkmal die Verbindung von Kaiser, Reich, Kirche und Stadt im ausgehenden Mittelalter."
Muster für den Reichsheiltumsschrein (1438), also das Behältnis der für die mittelalterlichen Menschen wichtigeren Reichsreliquien, wird der Deocar-Silber-Schrein der Lorenzkirche (1437) in Nürnberg.
VIII. 1618: Von der Burg zum Stadtschloss
Das Hochstift Eichstätt, mit Herrieden, gehört dem im Zuge der Reichsreform gegründeten Fränkischen Reichskreis an. In der Mitte des 16. Jahrhunderts sind zwei Drittel des Eichstätter Gebiets protestantisch. Im Dreißigjährigen Krieg (1618 - 1648) erleidet die Stadt durch die Schweden schwerste Bevölkerungsverluste.
Man kann von der Kontinuität einer Burg seit der Zeit Kaiser Karls des Großen (748 - 814) und Reichsabt Deocars (738 - 824) ausgehen. Die Burg bzw. das Schloss Herrieden ist in die Herrieder Geschichte eingebunden, u. a. als Sitz des Stadtvogtes, als Fluchtburg im Dreißigjährigen Krieg (1633 Massaker durch die Schweden) oder als vorübergehende fürstbischöfliche Residenz (1703/1704).
Um 1686 wird das Schloss in eine fürstbischöfliche Brauerei umgebaut und kommt 1806 - mit Herrieden - zum Königreich Bayern. Sogleich wird die Brauerei privatisiert, 2000 wird der Brauereibetrieb eingestellt.
2009 erwirbt den Gebäudekomplex die Stadt Herrieden. 2019 ist der erste Bauabschnitt abgeschlossen (Bundesprogramm Nationale Projekte Städtebau). Der 2. Bauabschnitt befindet sich noch in der abschließenden Planungsphase.
IX. 1806: Herrieden gehört zum Königreich Bayern
Bis zur Säkularisation (1803) leben die Menschen in Herrieden unter geistlicher Herrschaft, die Bischöfe im Bistum Eichstätt sind gleichzeitig Reichsfürsten im Hochstift Eichstätt ('unterm Krummstab ist gut leben').
Mit dem Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation im Jahr 1806 gehört die Stadt Herrieden zum neuen Königreich Bayern. Durch Gebietsreformen der Jahre 1808/1818 entstehen hier aus rund 40.000 Städten, Märkten, Dörfern und Weilern zunächst über 7.000 Gemeinden – Herrieden ist eine davon. Bayern ist Bestandteil des Zweiten Deutschen Kaiserreichs (1871-1918), der Weimarer Republik (1919-1933) und des Dritten Reiches (1933-1945).
X. 1949: Gründung der Bundesrepublik Deutschland
Der Freistaat Bayern entwickelt sich innerhalb der Bundesrepublik Deutschland von einem agrarisch geprägten Land zu einem führenden Industrie- und Technologiestandort. Herrieden ist Teil dieser (Erfolgs-)Geschichte. Nach dem Zweiten Weltkrieg finden hier viele Heimatvertriebene eine neue Heimat und prägen den enormen wirtschaftlichen Aufschwung mit.
XI. 1971: Großgemeinde 'Stadt Herrieden' entsteht
Durch die Gebietsreform in Bayern ab 1971 verringert sich die Anzahl der kreisangehörigen Gemeinden von etwa 7.000 auf nunmehr circa 2.000. Neun ehemals selbstständige Gemeinden werden in die Stadt Herrieden eingegliedert. Im Jahr 2024 beträgt die Einwohnerzahl der Stadt Herrieden über 8.300.
Wie kommt der 'Hase' in das Wappen der Stadt Herrieden?
Der ursprüngliche Name des Reichsklosters 'Hasareoda' (am 24.10.797 erste urkundliche Erwähnung "quod dicitur Hasareoda") leitet sich aus dem angelsächsischen Wort 'hasu' (sumpfig, grau) ab sowie aus dem althochdeutschen Wort 'hriot' (Ried, Sumpf, Wiesenmoor). Im Laufe der Jahrhunderte mutierte 'hasu' zu 'Hase' und schließlich zu 'harried' und 'Herrieden'. Der Bischofsstab symbolisiert die jahrhundertelange Verbindung zum Bistum und Fürstbistum Eichstätt.
XII. 2010: Stiftsbasilika/Zentralität Herriedens (2024)
Die weit über die Region hinausreichende geistig-spirituelle Ausstrahlung der Stiftsbasilika St. Vitus und St. Deocar wird im Jahr 2010 durch die Verleihung des Ehrentitels einer päpstlichen Basilika gewürdigt.
Im gestalteten Titelbild 'Herrieden 1225 Jahre' (2013) wird die 'Reichsgeschichte' Herriedens wie in einem Brennpunkt zusammengefasst.
Kaiser Karl der Große: mächtig, bärtig, in die (in Nürnberg verwahrten) Reichsinsignien gewandet - sie werden durch Albrecht Dürer (Bild: 1511/1513) gleichsam fotografisch festgehalten (Germanisches Nationalmuseum Nürnberg).
In vornehmstem Gewand, aber ohne Krone, kniet Kaiser Karl bei der Beichte vor Deocar (Deocaraltar von 1437, Lorenzkirche Nürnberg). Blick von der Vorderen Gasse auf die Westseite der Stiftsbasilika 'St. Vitus und St. Deocar'; links davon, mit Dachreiter: 'Zu Unserer Lieben Frau (der vermutete Standort des Klosters von Deocar um das Jahr 782).
Die Zentralitätsfunktion Herriedens zeigt sich heute auch im schulischen (Förderschulen, Grund- und Mittelschule, Realschule, Campus Herrieden der Hochschule Ansbach) und kulturellen Angebot (Volkshochschule, Zentrale der Katholischen Erwachsenenbildung im Landkreis Ansbach, Stiftsbasilika-Konzerte).
© Text/Abbildungen/Fotos: Karl Buckel (1. März 2024).